In Burgbernheim läutet jeden Abend um 21 Uhr -und nur dann- die Spezialglocke im Torturm. Gemäss einer Sage, die ich hier aus dem Gedächtnis zitiere, ist daran eine depperte Adelige schuld, die sich im Obernzenner Forst(!) verlaufen hatte und nur wieder nach Hause fand, weil die Burgbernheimer scheinbar aus Spaß am Lärm abends um Neun eben die Glocke im Torturm läuteten, die sonst nie in Betrieb ist.

9-Uhr-Glöcklein

Der Gründleinsturm

Der Torturm mit dem "Neinagläggla"

Aufgrund von Vorkommnissen in Nürnberg1 und Rosenfeld2 beschloss der Markgraf in allen Orten mit potentiell depperten Adligen ein allabendliches Heimfind-Läuten einer Spezialglocke veranstalten zu lassen. Burgbernheim, mit dem Markgrafenbau und dem riesigen Wald, gehört zweifellos zu den für depperte Adeligen gefährlichen Orten. Dem Markgrafen schienen allerdings die ihm berichteten Uhrzeiten arg spät für depperte Sprösslinge, deshalb änderte er sie ein wenig und schickte dann schriftliche Erlasse „in alle Welt“.

Weil die ostfränkische Botenzunft für bessere Arbeitsbestimmunngen streikte, sollte der Erlass durch das schwäbische Startup Christoph Georg Posterer (Seine Nachfahren üben ein ähnliches Gewerbe noch heute aus) zugestellt werden. Zwangsweise    führte der Weg des Boten durch eine Ortschaft namens Bergel. Die herben Gesellen am Fuß des Petersbergs befürchteten irgendetwas Positives für Burgbernheim und rückten dem Herrn Posterer kräftig auf dem Pelz um herauszukriegen, was in der Markgräflichen Verlautbarung steht. Ein kleiner, freundlich gemeinter Schlag auf die Nase brachten den Boten dazu, den Inhalt des Dokuments zu offenbaren. Die Paar Blutstropfen aus der Nase von Herrn Posterer waren auch   nicht wirklich schlimm, besudelten aber unglücklicherweise das Dokument etwas. Als die Bergelmer den Erlass gelesen hatte stellten Sie fest, das Sie zu wenig Adlige oder zu wenig Depperte hatten (je nach Sichtweise) und liessen den Boten Posterer frei.

Kopie des Original-Erlasses aus dem Burgbernheimer Archiv:
Bewäred habed sich das Gelärm der Glock-speciale zur Hülf des Retten von depperten Söhn und Maiden im Wald. Damit nicht zu spat der Beren und Wölf wegen, sollt geläut werden jed Tag um ...

Verspätet aber gerade noch rechtzeitig zur Ratssitzung erreicht der Bote das Burgbernheimer Rathaus. Bei der feierlichen Verlesung des Dokuments gab es bereits nach den ersten Worten starkes Gemurre über die Bevormundung. Immer lauter wurde das Gemurre : „Hat der noch nie was von Fachkräftemangel gehört“, „Wer will heute schon noch einen 48-Kreuzer-Job“ und „Wo ist überhaupt diese Glocke speciale“ waren die wichtigsten Einwände. Dummerweise war gerade die entscheidende Stelle, die Uhrzeit, wegen des Blutstropfens von Herrn Posterer unlesbar (siehe Erlass-Kopie aus dem Archiv). „Haben sie die Uhrzeit im  Erlass gelesen“ fragte der Bürgermeister den Boten in den Tumult hinein. „Noi“ antwortete der im heimatlichen Dialekt. In dem ganzen Lärm verstand der Bürgermeister „Neun“!

Der ganze Grund für das Neun-Uhr-Glöckchen ist also nur eine Verkettung von unglücklichen Umständen und des schwäbische Dialekts. Deshalb ist das keine richtige Sage -mit Teufel und so-    wert. Für das eigentlich vom Markgrafen angedachte Acht-Uhr-Glöckchen hätte man sich da durchaus was einfallen lassen können. Eine depperte Adelige vielleicht, die sich im Wald verlaufen hat . . . . . .

Man kann sich natürlich fragen, warum angesichts der vielen Markgrafen-Erlasse so wenige Acht-Uhr-Glöckchen gibt, aber das lässt sich mit der im Lauf der Jahrhunderte zunehmenden Rekatholisierung und dem dominanteren Angelus-Gebet erklären; da bimmelt es auch ohne markgräflichen Erlass um Acht und zwar angelusmäßig!

1Nürnberg    2Rosenfeld